Die Kandare – ihre Funktion und wie man sie anpasst
In der Dressurausbildung steht man irgendwann mal an dem Punkt: Kandare ja oder nein? Oder man ist Turnierreiter und die Kandare wird zur Pflicht, wenn man in höheren Klassen mitreiten möchte. Und dann geht man auf die Suche mit vielen Fragen im Kopf: welche Anzuglänge wähle ich? Zungenfreiheit oder gerade Stange? Welche Unterlegtrense passt dazu? …Und da kommen wir ins Spiel, denn neben der normalen Gebissberatung bieten wir nun auch eine Kandarenberatung an. Wie das ganze abläuft und was man wissen sollte, wollen wir in diesem Blogbeitrag einmal erklären.
Quelle: "Biomechanik und Physiotherapie für Pferde" von Helle Kleven
Wieso eine Kandare?
Ursprünglich kommt die Kandarenzäumung aus der Ritterzeit, denn dort wurde das Pferd im Kampf und Krieg eingesetzt und musste mit einer Hand kontrolliert werden. Die Kandare hatte dabei die Aufgabe das Pferd zu bremsen, denn Lenken war nicht wirklich nötig. Damals galt es auch noch ein anderes Kaliber Pferd zu kontrollieren als heute.
Die Kandare hat also die Aufgabe Versammlung und Aufrichtung zu erreichen – einseitige Zügeleinwirkungen sind mit ihr nicht möglich. Da kommt dann die Unterlegtrense ins Spiel, denn sie ist u.a. für Lenken, Stellung und Biegung zuständig.
Somit haben beide Gebisse sehr wichtige Aufgaben und deswegen sollte beiden bei der Anpassung gleichermaßen Beachtung geschenkt werden. Und genau das machen wir bei der Kandarenberatung.
Zuerst darf sich das Pferd seine Unterlegtrense aussuchen. Das bedeutet, dass wir zunächst anhand von Bild-, Videomaterial, Fragebogen und Beratungsgespräch uns für eine Unterlegtrense entscheiden. Diese dürfen du und dein Pferd dann für 20 Tage testen und wenn wir was passendes gefunden haben, machen wir uns an die Kandare. Hierfür erhältst du ebenfalls nochmal 20 Tage Testzeit.
Die Unterlegtrense
Lose Ringe vs Olivenkopf:
wir empfehlen stets lose Ringe, da sie flexibler agieren. Olivenkopfgebisse wirken deutlich starrer und haben letztendlich die Aufgabe eine seitliche Unterstützung zu geben, die aber schon von der Kandare übernommen wird.
Doppelt gebrochen vs. einfach gebrochen:
auch dies ist relativ eindeutig mit „doppelt gebrochen“ zu beantworten. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich einfach gebrochene Trensen beim Annehmen des Zügels über die Kandare schieben und diese dann fixieren. Das gilt auch für doppelt gebrochene Mundstücke, die eine geschwungene Form haben. Bei Neue Schule sind die beliebtesten Unterlegtrensen entweder das „Tranz Lozenge“ oder das „Turtle Tactio“. Das „Verbindend“ eignet sich aufgrund seiner Form eher weniger.
Die beliebtesten Unterlegtrensen von Neue Schule: das Tranz Lozenge (li) und das Turtle Tactio (re). Natürlich sind auch das Team Up oder das Starter mögliche Unterlegtrensen - hauptsache dem Pferd gefällts!
Welche Weite?
Bei Wassertrensen müssen die Ringe frei gleiten können, das bedeutet, dass das Ringloch auf beiden Seiten frei sein muss. Deswegen ist es nicht selten, dass die Unterlegtrense eine oder sogar zwei Größen weiter als die Kandare gewählt werden muss. Als Ringgröße sind 70mm genauso wie 55mm erlaubt, wir empfehlen aber 55mm, damit sie nicht am Reithalfter hängen bleiben können.
Welche Dicke?
In der Regel kann man die Unterlegtrense dünner wählen, damit sie nicht so viel Platz im Maul einnimmt. Es wird bei einer Kandarenzäumung nicht so viel Druck auf die Zunge ausgeübt, als beim Reiten auf Trense. Bei besonders sensiblen Pferden empfiehlt es sich bei 16mm zu bleiben. Eine Besonderheit ist auch das Turtle Tactio, welches es nur in 16mm Stärke gibt. Die Schenkel sind sehr flach geformt, so dass die Auflagefläche bleibt, es aber in der Höhe nur wenig Platz im Maul einnimmt.
Die Kandare
Während die Kandare früher nur ein praktisches Werkzeug war, um die Pferde zu kontrollieren, ist es heute vielmehr ein feines und effektives Kommunikationsmittel (bei richtiger Anwendung).
Die Wirkung
Im Gegensatz zu einem normalen Trensengebiss spricht die Kandare mehrere Reizpunkte an, so dass die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht wird. Auf dem Bild zeigen die Pfeile die unterschiedlichen Reizpunkte bei einer Trense und bei einer Kandarenzäumung. Es ist zu erkennen, dass die Kandare mit Hilfe der Kinnkette zusätzlich die Kinngrube anspricht.
Die Kandare ist ein sogenanntes Hebelgebiss, da die Anzüge jeweils einen starren Körper bilden, der um einen Drehpunkt (die Gebissstange) drehbar ist. Das heißt, wenn die Kandarenzügel angenommen werden, bewegt sich der untere Teil der Anzüge nach hinten, die Stange rollt über die Zunge und der obere Teil bewegt sich nach vorne. Untersuchungen haben ergeben, dass in dieser Phase max. die Hälfte der Zügelkraft auf das Genick übertragen wird. Auf die Zunge wird dabei nicht so viel Druck ausgeübt wie vielleicht angenommen.
Die richtige Form und Stärke
Eine Kandare ist grundsätzlich eine Stange mit festen Wangen, jedoch kann diese unterschiedlich geformt sein. Wichtig ist, dass sie gleichmäßig aufliegt und nicht die Zunge einquetscht. Bei Kandaren mit Zungenfreiheit sollte man darauf achten, dass sie nicht zu stark gebogen sind. Die früheren Modelle, die einen nahezu rechteckigen Ausschnitt haben, sind nicht zu empfehlen. Die Ecken drücken sich in die Zunge oder in das Zahnfleisch und üben zu viel Druck aus. Grundsätzlich bevorzugen die meisten Pferde aber eine Kandare mit einer leichten Zungenfreiheit.
Die Kandare "Slimma" von Neue Schule gehört mit zu den beliebtesten: sie hat eine leichte Zungenfreiheit und ist gleichmäßig rund geformt, so dass sie gut über die Zunge rollen kann.
Welche Weite?
Da die Kandare ein „Fixed Cheek“-Gebiss ist, muss sie mindestens eine Nummer kleiner gewählt werden. Bei Pferden mit sehr schmal zulaufenden Köpfen auch gerne mal zwei Nummern kleiner.
Welche Anzuglänge?
In der Regel gibt es Anzuglängen zwischen 5 und 10 cm. Zunächst scheint logisch, dass umso kürzer die Anzüge sind, desto weniger Hebel hat man und desto weicher wirkt die Kandare. Man spricht dann auch von sogenannten Babykandaren. Aber das kann mit den Gesetzen der Physik leicht widerlegt werden: der maximale Anstellwinkel für Kandaren liegt bei 45°. Bei einer Babykandare (5 cm Anzüge) müssten die Kandarenzügel um 4 cm verkürzt werden, um diesen Winkel [HK2] zu erreichen. Bei einer Kandare mit 10 cm Anzügen benötigt man nahezu 8 cm. Sprich, je länger die Anzüge, desto feiner die Einwirkung.
Ein bisschen Physik, aber dann doch verständlich: bei 3 cm Zügelanzug bewegt sich die Babykandare um 34° nach hinten und die Kandare mit 10 cm Anzügen um nur 17°. (Bildquelle: Christina Krajewski)
Die Kandarenzäumung ist ein komplexes System, bestehend aus Zäumung, Unterlegtrense und Kandare. Sie muss individuell auf jedes Pferd angepasst und wohlbedacht eingesetzt werden. Und dabei wollen wir euch mit Hilfe der Gebissberatung unterstützend zur Seite stehen. Mit „Neue Schule“ haben wir eine Firma gefunden, die perfekt zu uns passt und wo das Wohl der Pferde immer im Vordergrund steht. Auch zum Thema Kandarenzaum helfen wir euch gerne weiter.