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Die Anatomie des Pferdekopfes in Hinblick auf die Trense

Die Anatomie des Pferdekopfes in Hinblick auf die Trense


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Die Anatomie des Pferdekopfes in Hinblick auf die Trense

nach dem vorherigen Blogpost über die wissenschaftlichen Untersuchungen von u.a. Fairfax Saddles über Trensen, möchte ich euch heute ein paar anatomische Besonderheiten am Kopf des Pferdes beschreiben, um dann unsere Trensen nächste Woche besser vorstellen zu können.

Wenn wir die Haut entfernen würden, sähe man, dass der Pferdekopf fast nur aus „Haut und Knochen“ besteht, d.h. der Knochen ist nicht von Weichteilen bedeckt. Das betrifft u.a. den ganzen Nasenrücken, um die Augen, die Jochbeinleiste, das Schläfenbein und die Unterkieferäste. Da dort keine „Dämpfung“ durch Weichteile vorhanden ist, sind die empfindliche Knochenhaut und die Faszien sehr exponiert und können schmerzhaft werden, wenn auf den Knochen z.B. die Trense drauf drückt. Bei uns ist es vergleichbar mit dem Scheinbein, wenn du dir das anstößt, tut es sehr weh. Ähnlich müssen wir uns die Situation am Pferdekopf vorstellen, ohne Schutz kann ein permanenter Druck unangenehm und schmerzhaft für das Pferd werden.

Der Pferdehals ist im Vergleich zu anderen Tieren wie Hund oder Katze sehr lang. Damit das Pferd nicht viel Kraft einzusetzen muss, um den Kopf zu tragen und zu bewegen, hat die Evolution den Kopf leichter gebaut. Daher sind die Knochen am Kopf eher dünn und im Inneren des Schädels gibt es viele Hohlräume (wie ein Vulkanstein). Auch das Nasenbein, wo normalerweise der Nasenriemen liegt, ist sehr dünn und empfindlich. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass durch zu fest angezogene Nasenriemen in diesem Bereich eine Veränderung in den Knochenstruktur stattfinden kann. Der Knochen kann dort deformieren und noch dünner werden.

Pferdekopf Ansicht von links, 1. Schicht

linke Ansicht eines Pferdekopfs - 1. Schicht mit Nerven, Muskeln, Drüsen und Blutgefäßen
Quelle: 
„Atlas der topographischen anatomie der Haustiere“ (Peter Popesko, 1998, Enke Verlag)

Muskelansätze am Schädel

Laut der Studie von Fairfax liegt bei den meisten Trensen der größte Druckpunkt rechts und links neben dem Nackenbands und nicht, wie man vielleicht erwartet hätte, direkt auf dem Nackenband. Neben dem Nackenband setzt kurze und längere Muskulatur an. Die langen Muskeln kommen vom unteren Hals- und Brustwirbelbereich, von den Dornfortsätzen und vom Oberarm und sogar von den Lendenwirbeln und Kreuzbein. Diese Muskeln sind für die Bewegung von Hals und Kopf zuständig, wie zum Beispiel der Arm-Kopf Muskel. Wenn die Trense an den Muskelansätzen am Kopf erhöhten Druck ausübt, ist die Vorführung des Vorderbeines eingeschränkt. Der Grund dafür ist, dass Muskeln, die erhöhtem Druck ausgesetzt sind, weniger Kraft entfalten können. Es gibt auch kürzere Muskeln, die für die Feinmotorik und Stabilisation des Kopfes und Genick zuständig sind. Da diese für die Koordination und das Gleichgewicht zuständig sind, ist es wichtig, dass sie im Genick locker und beweglich bleiben.

Gelenke am Kopf

Der Schädel besteht aus 34 Knochen, von denen die meisten flach sind. Die Knochen haben faserige Gelenke (Suturen), bei denen die Knochen durch faseriges Gewebe verbunden sind. Diese Verbindungen lassen leichte Bewegungen zu. Das Kiefergelenk ist das größte Gelenk am Schädel des Pferdes. Es ist die Verbindung zwischen Unter- und Oberkiefer. Die Gelenkflächen passen nicht optimal zusammen, werden aber durch einen Discus ausgebessert und dadurch kann dieses Gelenk einen 3-dimensionale Kaubewegung ausführen.

Wenn der Kiefer fixiert wird wie z.B. bei einem zu festen Nasenriemen hat das eine enorme Auswirkung auf die Bewegungsabläufe des Pferdes. Nur ein Pferd, dass das Maul leicht beim Reiten öffnen kann, ist auch in der Lage die Hals- und Rückenmuskulatur loszulassen. Weiterhin muss der Unterkiefer in der Anlehnung leicht nach unten gleiten können, um mehr Platz zwischen dem Unterkiefer und dem ersten Halswirbel zu bekommen. Hemmen wir dieses Gleiten durch die Ausrüstung, kann es zu Bewegungseinschränkungen in der Ganasche kommen.

In dem Bereich um das Kiefergelenk, wo der Stirnriemen ansetzt, wurde ebenfalls erhöhter Druck gemessen. Hier liegt z.B. die Ohrspeicheldrüse, die für die Speichelzufuhr zur Maulhöhle zuständig ist. Unterliegt sie permanentem Druck kann die Zufuhr reduziert sein. Das Zungenbein hat seinen Ursprung zwischen den Unterkieferästen und geht hoch bis zum Äußeren Gehörgang. Wenn das Pferd zum Beispiel schluckt, entsteht durch einen zu engen Nasenriemen erhöhter Druck auf das Kiefergelenk und Zungenbein. Ist das Kiefergelenk dann dadurch blockiert, kann die Losgelassenheit des Pferdes eingeschränkt sein. Ist das Zungenbein auch betroffen, was oft der Fall ist, kann das Auswirkungen auf das Gleichgewicht und die Koordination haben.

Zungenbein am Pferd

Schädel des Pferdes mit Kiefergelenk und Zungenbein
Quelle:
 „Biomechanik und Physiotherapie für Pferde“ (Helle Kleven, 2017, FN-Verlag)

Blutgefäße und Nerven

Unterhalb des Kiefergelenks verläuft direkt unter der Haut Richtung Nase der große Gesichtsnerv (Facialis). Hier sondern sich ein paar Nervenäste ab, die zum Ohr und zum Auge hin verlaufen. Weiterhin hat dieser Nerv mehrere Äste, die sich über die Backe verteilen. Im Gesicht ist dieser Nerv hauptsächlich für die Mimik verantwortlich, wie zum Beispiel für die Bewegung der Ober- und Unterlippe.

Dann gibt es am Kopf noch den allseits bekannten Trigeminusnerv. Er verläuft unterhalb des Unterkiefers in der Nähe vom Kiefergelenk ebenfalls in Richtung Nase. Dieser Nerv teilt sich mehrmals und ist einmal für sensorische Wahrnehmungen aber auch für viele Muskeln im Gesicht verantwortlich. Ein Teil des Trigeminusnervs teilt sich im Unteraugenhöhlennerv (N.infraorbitalis). Dieser Nerv tritt aus dem Schädel genau an der Stelle aus, wo der englische oder schwedische Nasenriemen liegt. Ein weiterer Ausgang eines Nervs ist am Unterkiefer, der Kinnnerv (N. mentalis) und auch da läuft meist ein Riemen lang: der Sperr- oder auch Kinnriemen. Beide Nerven Versorgen die Nase und die Ober- bzw. Unterlippe. Dieser Nerv versorgt auch die Zähne und kann Schmerzen ausstrahlen oder auch z.B. Headshaking auslösen.

Große und kleine Blutgefäße sind gut verteilt über den ganzen Kopf. Diese sind für uns am besten erkennbar, wenn das Pferd in Bewegung ist. Aber auch viele Nerven und andere wichtige Strukturen, wie die Speicheldrüsen und ihre Ausführungsgänge, sind im Bereich der Oberfläche unsichtbar „eingebaut“ und verlaufen oft nur wenige Millimeter unterhalb des dünnen Fells. Direkt unterhalb der Jochbeinleiste verläuft die Gesichtsarterie und -vene Richtung Nase.

Die bekannte Regel, dass der Nasenriemen zwei Fingerbreit unter dem Jochbein verlaufen sollte, macht somit viel Sinn: zum einen haben wir die Gesichtsarterie und -vene, die da langlaufen und zum anderen haben wir dort einen Nervenausgang. Wird der Nasenriemen zu eng verschnallt, werden diese abgeklemmt und es kann zu Schmerzen und zu Lähmungen kommen.

Die Muskeln am Kopf

Auch bei der Muskelmasse hat die Natur gespart. Am proximalen Teil des Kopfes (Stirn) liegen die „größeren“ Muskeln des Kopfes, wie z.B. der äußere Kaumuskel. Distal (zur Nase hin) werden die Muskeln flacher und dünner, das bedeutet, dass es nicht viel Puffer zwischen Knochen und Trense gibt. Diese Muskeln sind für die Bewegung der Lippen zuständig und können z.B. durch einen zu engen Nasenriemen komprimiert werden. Sie verlieren dadurch an Kraft. Man sieht es leider sehr schnell, wenn ein Nasenriemen zu eng anliegt. Zum Beispiel, wenn die Oberlippe des Pferdes schlaff runterhängt oder wenn eine Schwellung unterhalb der Reithalfters erkennbar ist, da die Durchblutung durch die hohe Kompression nicht mehr stattfinden kann.

Es wird uns klar, dass alle diese empfindlichen Strukturen es nicht vertragen, wenn zu großer oder zu lang andauernder Druck durch die Trense ausgeübt wird. Umso wichtiger ist es, dass wir bei der Trensen-Anpassung und -Verschnallung wirklich sehr penibel sind. Natürlich legen auch wir im Shop sehr viel Wert darauf, dass die Trensen gut passen. Wie eine Trense sitzen muss und wie sie richtig verschnallt wird, zeigen und erklären wir euch im nächsten Blogpost.

Quellenangabe:

Kleven, Helle (2017) „Biomechanik und Physiotherapie für Pferde“ Fn-Verlag, Warendorf, 4 Überarbeitete und erweiterte Auflage

Mülling, C., Pfarrer, C., Reese,S.,Kölle, S., Budras, K-D. (2014) „Atlas der Anatomie des Pferdes“ Schlütesche Verlag, Hannover, 7 Auflage.

Nickel, Richard, Schummer, August, Seiferle, Eugen. (2004) Band VI: Nervensystem. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere. Parey Verlag

Peres-Manrieque, L., León-Perez,K., Zamora-Sánchez,E., Davies,S.,Ober, C., Wilson,B., McGreevy,P. (2020) "Prevalence and distribution of leasions in the nasal bones and manibles of a sample of 144 riding horses" Animals 2020,10,1661; doi:10.3390/ani10091661

Popesko, Peter (1998) „Atlas der topographischen anatomie der Haustiere“ Ferdinand Enke Verlag, stuttgart, 5 unveränderte Auflage

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