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Der richtige Einsatz von Beinschutz bei Pferden

Der richtige Einsatz von Beinschutz bei Pferden


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Der richtige Einsatz von Beinschutz bei Pferden

Wann kommt welcher Beinschutz zum Einsatz? Welche Materialien sollte ich verwenden, welche vermeiden? Kann man etwas falsch machen? Wann kommt es zu Hitzestau? Braucht mein Pferd überhaupt Beinschutz?

Als Reiter wollen wir immer das Beste für unser Pferd, wir verbringen nicht nur viel Zeit auf dem Pferd, sondern stecken mindestens genauso viel Zeit in Pflegen, Füttern, Putzen usw.

Ein ganz besonderes Augenmerk legen wir auf die Pferdebeine, denn die sind mit am verletzungsanfälligsten und haben bestimmt schon dem einen oder anderen viele Nerven gekostet. Kein Wunder, dass wir alles Mögliche versuchen die empfindlichen Gliedmaßen zu schützen. So gehören Bandagen und Gamaschen auf den Pferdebeinen bei den meisten ReiterInnen und PferdebesitzerInnen zum Alltag, aber hast du dir schon mal Gedanken gemacht, was unter der Bandage/Gamasche stattfindet? Kann Beinschutz die Strukturen im Pferdebein schädigen?

In diesem Blogpost werden wir diese Themen einmal genauer unter die Lupe nehmen und dabei die neuesten Studien heranziehen. Da hat sich nämlich einiges getan in den letzten Jahren!

Wärmeentwicklung und Hitzestau

Bandagen und Gamaschen werden üblicherweise verwendet, um die unteren Gliedmaßen des Pferdes während des Trainings vor Verletzungen zu schützen. Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen mittlerweile jedoch, dass solch eine Verwendung von Beinschutz zu einer erhöhten Temperatur der Gliedmaßen führen kann, welche die darunter liegenden Sehnen beschädigen kann.

Die unteren Gliedmaßen werden von Natur aus schlechter durchblutet als der Rest des Körpers, was einen Abtransport der Wärme einschränkt. Hinzu kommt, dass Sehnen aus Kollagenfasern bestehen, deren Hauptteil Proteine/Eiweiße sind. Dieser Aufbau macht die Sehnen wärmeempfindlich. So kann sich ab einer bestimmten Temperatur die Struktur der Proteine verändern.

Hinsichtlich der Temperaturentwicklung in und am Bein gilt, je schneller die Gangart, desto höher ist die Belastung und prozentual dazu steigt die Temperatur in den Sehnen. Man hat bei Rennpferden gemessen, dass nach 10 Minuten galoppieren, die Temperatur des Kerns der oberflächigen Beugesehne bis auf 45 °C steigen kann.

Im Labor hat man feststellen können, dass von dem Sehnengewebe des Pferdes nach 10 min bei 45°C, 9% der Sehnenzellen nicht überlebten. Drei grad mehr und nur 22% der Zellen überlebten.

Es reichen also schon 10 Minuten mit erhöhter Temperatur aus, um die Struktur der Sehnen zu verändern. In einer anderen Studie wurde die Sehne bis zu einer Stunde warmgehalten. Dabei konnten sie messen, dass nur 27% der Zellen diese erhöhte Temperatur überlebten. Man kann sich die Veränderung im Gewebe fast wie beim Eierkochen vorstellen, wo sich durch die Wärme die Eiweißstruktur ebenfalls verändert.

Nun darf man nicht vergessen, dass eine Temperaturerhöhung im Körper durch Bewegung physiologisch ist. Durch die Bewegung werden die Pferdebeine auf natürliche Art luftgekühlt. Es ist wie ein Motor, der luftgekühlt wird, nehmen wir die Luftzufuhr weg, (wie zum Beispiel mit Bandagen) kommt es schnell zu einer Überhitzung und der Motor geht kaputt!

Mit anderen Worten: wenn wir mit Bandagen oder dicken luftundurchlässigen Gamaschen die Pferdebeine einpacken, entsteht jedes Mal eine Überhitzung des Sehnengewebes.

Die Sehnen gehen nicht kaputt von einem einmaligen Einsatz einer Bandage, aber wenn wir sie täglich benutzen, besteht durch diese Überhitzung die Gefahr, dass sich der Sehnen- und Bänderapparat der unteren Gliedmaße schwächer entwickelt.

Langfristige Folgen

Bei Veränderungen in der Zellstruktur kann man auch von Zellschäden und Mikroverletzungen sprechen, die wiederum langfristig zur Degeneration des Gewebes führen. Dann entsteht Narbengewebe in der Sehne, so dass die gesamte Struktur weniger dehnfähig wird. Langfristig bedeutet das eine Schwächung des Sehnenapparats anstatt einer Stärkung.

Welchen Beinschutz sollte man nehmen?

Klar ist, dass bei gewissen Belastungen die unteren Gliedmaßen gegen äußere Kräfte geschützt werden müssen. Aber muss es immer derselbe Beinschutz für jede Situation sein?

In wissenschaftlichen Untersuchungen aus England und Amerika haben Forscher messen können, dass die größte Hitzegefahr von Fleecebandagen ausgeht. Diese lassen gar keine Wärme ab/durch. Zusätzlich besteht bei Bandagen grundsätzlich die Gefahr, dass man sie zu fest und ungleichmäßig anlegt. Es entstehen dann schnell punktuelle Druckstellen, die die Durchblutung einschränken können. Ebenso wird vermutet, dass sich wahrscheinlich viel Druck auf den Gleichbeinen bildet. Leider sieht man auch immer wieder, dass die Bandagen zu hoch über das Karpalgelenk und viel zu tief unter das Fesselgelenk gewickelt werden, was zu Bewegungseinschränkungen in den zwei Gelenken führen kann.

Weitere Wärmespeicher sind zum Beispiel Neoprengamaschen. Diese Gamaschen haben durchschnittlich eine 3,5 °C höhere Temperatur als perforierte Gamaschen.

Aus diesen Gründen findet ihr bei uns weder Fleecebandagen noch Neoprengamaschen im Onlineshop!

Kunstfell ist zwar schön weich und passt sich gut an, aber auch hier entsteht gerade im Sommer viel Wärme. Auch Hartschalengamaschen lassen kaum einen Luftaustausch zu. Die geringste Wärmebildung finden wir bei Gamaschen aus einem leichten, perforierten Material.

Gamaschen aus leichtem und luftigem Material

 

Schutz geht vor!

Wir raten den Beinschutz immer der jeweiligen Trainingseinheit anzupassen. Dabei gilt: so wenig wie möglich und so viel wie nötig. Bei einem leichten Dressurtraining oder einem Schrittausritt, benötigen die meisten Pferde keinen Beinschutz. Dann sollte der Schutz mit steigenden Anforderungen erhöht werden. Mit anderen Worten: beim Springen über hohe und oder feste Hindernisse im Gelände ist ein Beinschutz unerlässlich. Ebenso ist ein Beinschutz unerlässlich, wenn sich das Pferd aufgrund von anatomischen Problemen bei jedem Schritt streift.

Der passende Beinschutz sollte also individuell abgestimmt werden und die beste Lösung für das Pferdebein ist erst einmal kein Beinschutz und dann sollte man sich die Frage stellen, welches heute der geringstmögliche Schutz ist.

Take Home Messages:

  1. KEEP IT SIMPLE!!!: so wenig wie möglich, so viel wie nötig
  2. Function first: Funktion geht vor! So luftdurchlässig & leicht wie nur möglich
  3. Tragezeit minimieren: Beinschutz als letztes drauf und als erstes runter!
  4. Hitzestau vermeiden: unter Bandagen und Neopren entsteht die größte Hitze
  5. Gamaschen passend zu der Arbeit auswählen
  6. Wenn Bandagieren, dann nicht über das Karpal- und unterhalb des Fesselgelenks wickeln

Noch mehr zu diesem Thema gepaart mit geballter Fachkompetenz könnt ihr in dem aktuellen Podcast von der Tierärztin Dr. Veronika Klein hören. Helle Kleven war hier zu Gast, um ausführlich über das Thema Beinschutz zu berichten. 

https://kernkompetenz-pferd.de/hitzestau-unter-dem-beinschutz/ 

Quelle:

Brock, L. & Spooner,H. (2021) „ 28  A comparison among equine boots and legwraps on leg surface temperature during and after exercise“ Journal of Equine Veterinary Science. Vol.100, 103491

Wilson & Goodship (1994) Exercise-induced hyperthermia as a possible mechanism for tendon degeneration Journal of biomechanics, Band 27, Vol 7, PP 899–901, 903–905

Yamasaki, H., Goto,M., Yoshihara, T.,(2001)  Exercise-induced superficial digital flexor tendon hyperthermia and the effect of cooling sheets on Thoroughbreds Journal of equine Science, Band 12, Vol 3

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